Lebensgeschichten aus Uganda – Interviews mit ehemaligen Heimkindern

von Martin Effert und Bernhard Oswald

Anfang 2012 reisten wir zum dritten Mal nach Uganda und zum BSPW. Wir hatten es uns zur Aufgabe gemacht, die Geschichten von Menschen zu dokumentieren, die Unterstützung durch Jugendhilfe-Ostafrika erfuhren, sei es durch ein gesponsertes Fahrrad oder durch Leben im Kinderheim von Morence Mpora.
So kamen wir wie schon 1996 und 2005 mit vielen Menschen in Kontakt, die uns gerne ihre Lebenssituation und teilweise Ihre Lebensgeschichte darlegten. Für uns erstaunlich war der Optimismus und die grundlegende Fröhlichkeit, die von den Menschen ausgeht. Umso wichtiger erschien es uns, ihre Geschichten zu dokumentieren und zugänglich zu machen, denn sie geben auch Hinweise auf den Nutzen der Unterstützung, die sie erfahren haben.

Alle nachfolgend genannten Personen waren angetan von der Idee der Veröffentlichung auf www.jugendhilfe-ostafrika.de und stimmten der Veröffentlichung von Text und Fotos ausdrücklich zu.

Kichwamba, District Fort Portal, Westuganda
Kichwamba liegt im Westen Ugandas, ca. 50 km entfernt von der Grenze zu der Republik Kongo, am Fuße des Ruwenzori-Gebirges, die Mountains of the moon genannt werden.  Es ist eine ländliche Gegend, die Menschen siedeln in kleinen Dörfern oder Weilern und leben überwiegend von der Landwirtwirtschaft. Angebaut werden Kochbananen, Cassava, Kartoffeln, Mais, Bohnen, Auberginen oder Karotten. Daneben gibt es ein wenig Viehzucht mit Hühnern, Ziegen, Schweinen und Kühen.
Die Ernten werden überwiegend zur Selbstversorgung genutzt, was nicht selbst verbraucht wird kann auf dem Markt verkauft werden. Die Häuser sind teilweise aus Stein mit Zementmörtel gemauert, teilweise auch Holz-Lehm Konstruktionen. Die Dächer bestehen meist aus  Metallblechen. Wasser gibt es an öffentlichen Wasserstellen, die ca. 1km voneinander entfernt sind und von einer Leitung gespeist werden. Elektrischen Strom gibt es nicht. Gekocht wird mit Feuerholz oder Holzkohle.
In den 90er Jahren gab es erhebliche Sicherheitsprobleme mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen durch  Rebellenübergriffe.
Alle Kinder gehen zur Schule, der Schulweg beträgt durchschnittlich 5 km. Das Schulsystem sieht 7 Jahre Primary-School und anschließend 6 Jahre Secondary-School vor. Je nach Niveau berechtigt der Abschluss zu einer Berufsausbildung oder eröffnet den Zugang zu einer Hochschule.
Etwa die Hälfte der Kinder geht auf öffentliche Schulen, die Klassengrößen können bis zu 120 Kinder betragen, das Schulgeld beläuft sich auf ca. 50 € pro Jahr.
Wer Wert auf eine bessere Bildung legt und es sich leisten will und kann schickt seine Kinder auf eine Privatschule, deren Klassen üblicherweise mit 25 bis 50 Schülern besetzt sind. Das Schulgeld beträgt 100 € pro Jahr oder mehr. Hinzu kommen die Kosten für die Schuluniform, das Essen und die Schulbücher.
Zur Gesundheitsversorgung gibt es Krankenstationen. Verbreitete Krankheiten sind Malaria, Aids oder Wurmbefall.
Morence Mpora betreibt in Kichwamba seit 1987 ein Kinderheim. Zur Zeit leben dort 45 Kindern, die auch von Jugendhilfe-Ostafrika gefördert werden. Einige der Kinder sind mittlerweile schon erwachsen. Wir befragten sie zu ihrer Lebensgeschichte, ihrer Lebenssituation und Ihren Perspektiven.

Ehemalige Heimkinder, die im Kinderheim von Morence Mpora groß wurden und mittlerweile erwachsen sind. Was bewegt sie?

Joe Kiiza, 34 Jahre alt
Joe Kiiza, geboren 1978, kam als 10 jähriger im Jahr 1988 zu Morence Mpora. Seine Eltern waren 1986 an Malaria gestorben. Nachdem er sich ein Jahr alleine durchgeschlagen hatte war er froh, bei Morence aufgenommen zu werden. Er war der jüngste seiner Geschwister, seine älteren Schwestern waren schon verheiratet und wollten oder konnten ihn nicht aufnehmen.
Wie veränderte sich das Leben durch die Aufnahme im Heim?
Es wurde mein neues zu Hause und ich schätzte die Versorgung mit Essen und Kleidung, besuchte die Schule. Natürlich war es auch manchmal lästig, die viele Arbeit in der Gemeinschaft der Großfamilie. Es wurde viel Wert auf Sauberkeit gelegt und wir mussten viel waschen und reinigen. Drei meiner Schwestern verstarben in den folgenden Jahren, aber zwei meiner Neffen konnte ich auch zur Aufnahme bei Morence Mpora verhelfen.
Gingen Sie zur Schule?
Klar, Morence konnte aus Spendengeldern Schulgeld bezahlen und meldete mich an. Nach dem Besuch der Primary- und Secondary-School machte ich eine Ausbildung zum Kirchenreferenten in der Pentacosta-Church und wirkte ab dem 21.Lebensjahr über 2 Jahre als Pastor und Prediger in der Gemeinde von Kihondo. Von der Gemeinde erhielt ich Unterhalt, es war aber sehr wenig. Ab 2001 arbeitete ich bis 2007 bei einer Firma als Gärtner. Von dem Einkommen konnte ich ein wenig Geld sparen und meine Hauseinrichtung kaufen.
Wie kamen Sie zu Ihrem Haus?
Das Land meiner Eltern war nach ihrem Tod von meinem Onkel übernommen worden, da war nichts zu machen. Ich wollte jedoch unbedingt ein zu Hause besitzen und eine Familie gründen. 2004  hatte ich genug Geld für ein kleines Grundstück zusammen. 100.000 Uganda Shilling (Ush) erhielt ich von einem Deutschen, mit dem ich eine Brieffreundschaft pflegte. Morence gab mir 100.000 Ush dazu, das reichte für ein Grundstück und den Bau eines Hauses. Es kostete nicht viel, da ich die Baustoffe Lehm und Holz vor Ort nahm, die Bleche für das Dach waren das teuerste.

Und ihre Familie?
Ich heiratete im Jahr 2004 meine Frau Magret Komurig. Sie war damals 19 Jahre alt, wir liebten uns, niemand mischte sich ein. Wir haben 2 Kinder, die 2005 und 2010 zur Welt kamen. Ich wünsche mir weitere Kinder, aber nicht zu viele, weil deren Versorgung teuer ist.

Sind sie glücklich mit Ihrem Leben?
Ja, sehr, weil ich es als Waise geschafft hat. Ich liebe meine Kinder und kümmere mich um sie, weil ich weiß, wie es ist, wenn man sich als Kind verlassen fühlt.
Wovon leben Sie und ihre Familie?
Wir leben überwiegend von unsrer kleinen Landwirtschaft mit 3 Hektar Land. Wir bauen Matoke (Kochbananen), Avocado, Kartoffel, Cassava, Bohnen und Tomaten an. Dazu haben wir 3 Schweine und 10 Ziegen. Was wir ernten verbrauchen wir überwiegend selbst direkt, geringe Überschüsse verkaufen wir auf dem Markt. Wenn ich mein Fahrrad mit 6 Bündeln Kochbananen belade und diese auf dem Markt verkaufe kann ich zurzeit 5000 Ush ( aktuell ca. 1,50 €)  erzielen.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Wenn ich genug Geld zusammen habe möchte ich ein Haus aus Stein bauen. Und wenn die Schweine groß sind werde ich mir von dem Geld eine Kuh anschaffen. Die kostet ca. 200 €, aber wenn man sie gut hält gibt sie Milch und die kann man gut verkaufen.

Patrick Tusime, 31 Jahre alt
Patrick Tusime, geb. 1981, lebte seit seinem 10. Lebensjahr bei Morence Mpora. Sein Vater war verstorben, er hatte 10 Geschwister und die Familie war so arm, dass sie kein Schulgeld bezahlen konnte.
Wie gestaltete sich Ihr Leben, nachdem Sie in das Heim von Morence Mpora gekommen waren?
Ich besuchte die Primary und später die Secondary School. Morence  bezahlte das Schulgeld und achtete darauf, dass ich auch immer zur Schule ging. Danach studierte ich Pädagogik in Fort-Portal und machte 2003 meinen Abschluss als Grundschullehrer.
Die folgenden 5 Jahre arbeitete ich in einer Grundschule. Das Anfangsgehalt betrug 200.000 Ush (ca. 66 € ) monatlich, was für ein Leben kaum reicht. Daher verdingte ich mich zusätzlich als Touristenführer und konnte Geld für ein Grundstück zurücklegen. 2004 kaufte ich für 5.000.000 Ush ( ca. 1700 €) ein Grundstück an der Hauptstrasse nach Fort Portal.
Zurzeit betreibe ich ein Restaurant und arbeite zeitweise als Touristenführer für ein deutsch-amerikanisches Reiseunternehmen. Ich mache etwa 5 Touren mit Gruppen von 6 –  10 Personen pro Jahr, die jeweils 2-3 Wochen dauern. Die Herausforderung ist, dass die Reisenden aus Europa auch europäische Standards hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung wollen.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Ich möchte in eigener Regie Fahrrad-Reisen für Touristen organisieren und betreuen. Dazu baue ich eine eigene Website auf. Mein Standort am Ruwenzori-Gebirge in der Nähe des Semuliki-Nationalparks ist dafür sehr günstig. Mittlerweile habe ich auch genug Erfahrung im Umgang mit Menschen aus Europa. Weiterhin möchte ich mein Restaurant mit Unterkunftsmöglichkeiten erweitern. Es soll ein Hotel an der Hauptstraße zum Nationalpark werden.
Kontakt: +256776450950

Robert Alleluja, 25 Jahre alt
Robert Alleluja, geb. 1987 in Kichwamba kam im Alter von 9 Monaten zu Morence Mpora. Bis zum 6. Lebensjahr wuchs er in dem Bewusstsein auf, Morence sei sein  Vater. Im Alter von 6 Jahren erfuhr er, dass sein Vater gestorben und seine Mutter krank sei, sie ihn nicht versorgen konnte und er daher zur Familie Mpora kam. Er hat noch 8 Halbgeschwister, zu denen er aber kaum Kontakt hat.
Robert hat die Primary und Secondary School besucht und war anschließend in einer Fachschule für Tourismus.

Was sind Ihre Zukunftspläne?
Zur Zeit verdinge ich mich als Guide für Gäste des Kinderheims. Das möchte ich ausbauen. Ich mache Führungen z.B. in das Ruwenzori-Gebirge (auch genannt Mondberge), nach Fort Portal oder Kasese oder auch in die umliegenden Nationalparks wie den Semuliki Nationalpark oder den Kibale Forest. Es gibt viele interessante Sehenswürdigkeiten, wie Höhlen, Sümpfe, Kraterseen, heiße Quellen oder historische Stätten. Ich biete Wanderungen oder Fahrradtouren an. Die Streckenwahl und die Dauer erfolgt nach Absprache. Wir übernachten in einfachen Hotels, Essen wird vor Ort organisiert.

Bei Fahrradtouren achte ich sehr auf Sicherheit, wir befahren nur kleine, wenig frequentierte Landstrassen.
Ich habe auch schon einen Namen für mein Unternehmen, nämlich „Mountains of the moon bicycle tour adventure an Safari“.

Kontakt über die Mpora Rural Family: 256-776555732

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